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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 24.04.2019


Jahresbericht von RIAS Berlin: Antisemitismus 2018 gewalttätiger und direkter
AVIVA-Redaktion

Häufiger als zuvor nahm Antisemitismus im vergangenen Jahr in Berlin verrohte Formen an. Dies geht aus dem "Bericht antisemitischer Vorfälle 2018" hervor, den die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) am 17.04.2019 vorstellte. In ihrer - auf AVIVA-Berlin veröffentlichten - Pressemitteilung dokumentiert RIAS Berlin Zahlen, Fakten und O-Töne. Außerdem in diesem Beitrag: Die AVIVA-Linkliste informiert zu Initiativen und Organisationen, die sich gegen Antisemitismus engagieren.




Besorgniserregend ist der deutliche Anstieg bei Vorfallsarten mit besonderem Gefährdungspotential für die Betroffenen. So hat sich die Anzahl der Angriffe von 18 auf 46 mehr als verdoppelt, die Zahl der Bedrohungen – von 26 auf 46 – ist ebenfalls merklich gestiegen. Insgesamt erfasste RIAS Berlin 2018 1.083 antisemitische Vorfälle in der Hauptstadt – 14 % mehr als im Vorjahr (951).

Mit 368 Personen waren 73 % mehr Einzelpersonen betroffen als im Vorjahr. Mit 187 war über die Hälfte davon jüdisch, doch auch zahlreiche nichtjüdische Personen, die sich gegen Antisemitismus oder Rechtsextremismus aussprachen, wurden angefeindet.

So wurde im September einem Mann ins Gesicht geschlagen, nachdem er als "Du Jude" beschimpft wurde und diese Äußerung kritisiert hatte. Ebenfalls im September bewarf ein Spätkaufverkäufer eine jüdische Frau mit Kronkorken, als er ihren Davidstern-Schlüsselanhänger erblickte. Zudem beschimpfte er sie als "Judenschlampe" und forderte sie auf, den Laden zu verlassen. Im April wurde eine Gruppe von Personen auf dem Weg zur Demonstration "Berlin trägt Kippa" bespuckt, getreten und mit "Verpisst Euch Ihr Juden" beschimpft.

Zu dem deutlichen Anstieg von Angriffen und Bedrohungen erklärte RIAS Berlin-Projektleiter Benjamin Steinitz: "Wir stellen im Vergleich zu den vergangenen Jahren eine zunehmende Bereitschaft fest, antisemitische Aussagen mit konkreten Gewaltandrohungen zu verbinden oder ihnen gar Gewalt folgen zu lassen. Diese Verrohung geschieht jedoch nicht im luftleeren Raum, sondern auch im Kontext wachsender Zahlen niedrigschwelliger Formen von Antisemitismus, der den Alltag von Betroffenen prägt."

Insgesamt 831 Fälle von verletzendem Verhalten dokumentierte RIAS Berlin 2018 – ein Anstieg von 22 %. Hierbei handelte es sich um schriftliche oder mündliche Anfeindungen, Propaganda oder Veranstaltungen mit antisemitischen Inhalten.

Weitere O-Töne:

Juna Grossmann – Autorin ("Schonzeit vorbei. Über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus") und Bloggerin ("irgendwiejuedisch.com"):
"Aus den Zahlen zu antisemitischen Vorfällen 2018 können wir mehr als deutlich sehen, dass Antisemitismus keinesfalls nur für Jüdinnen_Juden ein Problem darstellt. Antisemitisch motivierte Anfeindungen zielen auch auf Kritiker_innen von Antisemitismus und viele Personen, die sich für eine offene und demokratische Gesellschaft engagieren. Deshalb gilt auch weiterhin: Wegsehen wird nichts ändern. Nur gemeinsam kann man dem entgegentreten. Nur gemeinsam kann man etwas bewirken."

Bianca Klose – Projektleiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) und Geschäftsführerin des Vereins für demokratische Kultur in Berlin (VDK) e.V.: "Wir erleben, auch das dokumentiert der Jahresbericht von RIAS Berlin, eine Verschiebung vom Sagen zum Tun. Dafür müssen wir nicht weit nach rechts schauen, dafür reicht ein Blick auf die so genannte ´Mitte´ der Gesellschaft. Wir erleben eine Zeit der gesellschaftlichen Grenzverschiebung, die auch die Erinnerungskultur an die Verbrechen des Nationalsozialismus unter Druck setzt. Die Politik tut gut daran, Wahrnehmungen von Betroffenen und zivilgesellschaftliche Analysen über Antisemitismus in dieser Stadt nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch entsprechend zu handeln."

Sigmount Königsberg – Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin: "Gerade die gestiegene Gewalt gegen Jüdinnen_Juden zeigt, wie notwendig die Arbeit von RIAS Berlin ist. Sie gibt diesen Menschen eine Stimme, die sonst ungehört bliebe. Der Bericht von RIAS Berlin zeigt, dass die Konzeption des Landes Berlin gegen Antisemitismus dringend notwendig ist und dessen zügige Umsetzung auf oberster Stelle der Agenda stehen sollte. Zudem sollte die Benennung von Claudia Vanoni zur Antisemitismusbeauftragten der Berliner Staatsanwaltschaft zu einer zügigeren Klageerhebung führen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Von Politik und Justiz ist zu gewährleisten, dass jüdische Menschen sich sicher fühlen können."

O-Töne von Partner*innenprojekten:

Marina Chernivsky – Leiterin des Kompetenzzentrums für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland:
"Die Permanenz antisemitischer Ressentiments quer durch die Gesellschaft, die steigende Statistik antisemitischer Straftaten und Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze verdeutlichen das antisemitische Potenzial und die steigende Bedrohung. Es bedarf weiterhin einer umfassenden Befähigung politischer und pädagogischer Akteur_innen sowie kontinuierlichen Beratung von Betroffenen."

Lala Süsskind – Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. (JFDA): "Ich bin zutiefst beunruhigt über diese Entwicklung. Antisemitismus ist ein Angriff auf unsere Demokratie und trifft uns alle. Alle Demokrat_innen sind gefordert, sich klar zu positionieren, um dem grassierenden Antisemitismus Einhalt zu gebieten. Dazu zählt auch, dass die Bundesregierung der weit verbreiteten Israelfeindlichkeit eine klare Absage erteilt."

Der vollständige Bericht ist online unter: report-antisemitism.de

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) wurde im Januar 2015 durch den Verein für Demokratische Kultur in Berlin (VDK) e.V. gegründet. Sie wird gefördert durch das Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Anti-Diskriminierung und die Amadeu Antonio Stiftung. Ziel von RIAS Berlin ist eine zivilgesellschaftliche Erfassung antisemitischer Vorfälle und die Vermittlung von Unterstützungsangeboten an die Betroffenen.

Organisationen, Initiativen und Handlungsempfehlungen gegen Antisemitismus im Ãœberblick:

Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) und Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Bundesverband RIAS): www.report-antisemitism.de und auf Facebook: www.fb.com/AntisemitismusRechercheBerlin

Amadeu Antonio Stiftung: www.amadeu-antonio-stiftung.de und www.facebook.com/AmadeuAntonioStiftung

Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. (JFDA): jfda.de, auf Facebook: fb.com/juedischesforum, Twitter: twitter.com/JFDA_eV, Youtube: www.youtube.com, Instagram: www.instagram.com/jfda_ev

Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment (ZWST): zwst-kompetenzzentrum.de

Anne Frank Zentrum e.V.: www.annefrank.de

Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus KIgA e.V.: www.kiga-berlin.org

Die Handlungsempfehlungen des "Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus" sind online unter:

www.bundestag.de

Die zentralen Forderungen des "Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus" sind online unter:

www.bundestag.de

Mehr Infos zum Thema:

Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG, Stand: 7. September 2017) finden Sie unter:
www.bmjv.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Antisemitismus in der Schule: Erste Bundesweite Bestandsaufnahme dokumentiert geringes Problembewusstsein und Engagement bei schulischen AkteurInnen und Bundesländern
Antisemitische Haltungen von LehrerInnen und SchülerInnen, antisemitische Inhalte und Weiterverbreitung von Klischeebildern in Schulbüchern. Das Schul- und Universitätssystem weist diverse Schwachstellen auf, die Antisemitismus in Bildungseinrichtungen erst möglich machen. Das Gutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin mit der Universität Gießen vom Januar 2019 liefert zwar keine Zahlen. Dafür zeigt es präzise auf, wo Handlungsbedarf besteht.

Erste bundesweite Meldestelle für antisemitische Vorfälle gegründet - Bundesverband RIAS
Betroffene und ZeugInnen von antisemitischen Vorfällen können diese seit dem 20.12.2018 nun auch bundesweit melden. Die 2015 gegründete Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) stellt dem Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Bundesverband RIAS) seine Meldetechnologie zur Verfügung. (2018)

RIAS-Bericht über das erste Halbjahr 2018: Antisemitismus gewalttätiger und gezielter
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) stellte am 25.10.2018 den Bericht antisemitischer Vorfälle von Januar bis Juni 2018 vor. Insgesamt wurden 527 Vorfälle in Berlin erfasst. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (514 Vorfälle) blieb die Gesamtzahl erfasster antisemitischer Vorfälle in Berlin konstant auf hohem Niveau. Besonderen Anlass zur Sorge gibt die deutliche Zunahme gemeldeter antisemitischer Angriffe und Bedrohungen. Mehr Informationen sowie Links zu Initiativen gegen Antisemitismus auf AVIVA-Berlin. (2018)

Langzeitstudie im Juli 2018 erschienen: Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses
Das Thema: "Judenfeindschaft als kulturelle Konstante und kollektiver Gefühlswert im digitalen Zeitalter". Die auf umfangreichem Datenmaterial basierende Studie zeigt unter anderem: "Antisemitismen haben im Netz signifikant zugenommen und der klassische Judenhass ist vorherrschend". AVIVA meint: Die Ergebnisse sind wenig überraschend, den "Betroffenen" in allen Facetten seit Jahren bestens bekannt. Und doch: Die große Medienpräsenz auf genau diese Untersuchung zeigt endlich den dringenden Handlungsbedarf auf. (2018)

Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. (JFDA) begeht 10-jähriges Jubiläum
Mit einer Feier im Festsaal des Rathauses Charlottenburg hat das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. (JFDA) am 26. Juni 2018 zusammen mit rund 200 GästInnen sein 10-jähriges Bestehen gefeiert. Lala Süsskind, die Vorsitzende des JFDA, Levi Salomon, Sprecher des JFDA und Samuel Salzborn, Gastprofessor am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin äußern Hoffnungen und Forderungen. Eine Bestandsaufnahme. (2018)

Bericht antisemitischer Vorfälle in Berlin 2017 vorgelegt: Anzahl der Vorfälle bedenklich
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) legte am 18. April 2018 ihren Bericht antisemitischer Vorfälle für das vergangene Jahr vor. Für 2017 hat RIAS insgesamt 947 antisemitische Vorfälle in Berlin erfasst. Im Jahr 2016 wurden 470 antisemitische Vorfälle in Berlin registriert, im Jahr 2015 waren es 405 Fälle. (2018)

ZWST eröffnet neue Beratungsstelle für Betroffene antisemitischer Gewalt in Berlin
Mit der neuen Beratungsstelle soll ein Angebot speziell für Ratsuchende nach Erfahrungen antisemitischer Gewalt geschaffen werden, das sich durch einen niedrigschwelligen Ansatz auszeichnet. (2017)

Zahl gemeldeter antisemitischer Vorfälle in Berlin bleibt hoch
Im Jahr 2016 erfasste die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) 470 antisemitische Vorfälle in Berlin. Die Zahl der registrierten Vorfälle ist damit gegenüber dem Vorjahr (2015: 405 Fälle) um 16 % angestiegen. Die Zahl der von Antisemitismus Betroffenen hat sich gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. (2017)

Kooperation will Antisemitismus sichtbar(er) machen und den Betroffenen zur Seite stehen

Hass ist keine Meinung. Nicht mal im Internet
Unter diesem Motto launcht das #NoHateSpeech Movement seine Webseite mit einem Online-Flashmob gegen Hass im Netz am 22. Juli 2016. So will die Initiative langfristig Strukturen für aktives Engagement gegen Online-Hetze schaffen. (2016)

#NichtEgal - Initiative gegen Hass im Netz
Hasskommentare nehmen in den sozialen Netzwerken zu. Am 19. September 2016 startete Youtube eine bundesweite Kampagne, mit der sie die positiven und toleranten Stimmen im Netz verstärken und zeigen will, dass Hass im Netz #NichtEgal ist. (2016)

Kein Byte den Nazis. Online-Kampagne Soziale Netzwerke gegen Nazis
20 soziale Netzwerke des Web 2.0 haben sich auf Anregung von Netz-gegen-Nazis zusammengeschlossen, um ihre UserInnen gegen Rechtsextremismus im Internet stark zu machen. Es geht darum, nicht wegzusehen, Position zu beziehen und das Internet nicht zu einem Raum verkommen zu lassen, in dem Persönlichkeitsrechte und Menschenwürde keinen Wert mehr haben. Mit Linkliste zu weiteren Initiativen. (2010)

Zentralrat der Juden bereitet Klage gegen Google und YouTube vor
Hakenkreuzvideos und brauner Sumpf auf YouTube. Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland geht mit einstweiliger Verfügung bei Hamburger Gericht gegen die US-Firma vor. (2008)

"Mit Antisemitismus und Antiamerikanismus in die Charts"
Immer mehr rechtsextreme und verfassungsfeindliche Inhalte finden bei Internetportalen wie youtube und myspace Verbreitung und gelangen so ungefiltert in die Kinderzimmer und Schulen. (2007)

Hinweis in eig. Sache: Die AVIVA-Linkliste "Organisationen, Initiativen und Handlungsempfehlungen gegen Antisemitismus" spiegelt eine zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuelle Auswahl von AVIVA-Berlin (kein Anspruch auf Vollständigkeit).




Quelle: PRESSEMITTEILUNG Jahresbericht von RIAS Berlin, 17.04.2019


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Beitrag vom 24.04.2019

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